Immer wieder möchte der Vater mit mir zu klassischen Konzerten gehen. Er gibt nicht auf. Sei es, weil er die Wahrheit immer wieder verdrängt oder vergisst (weiteres Indiz für diese Theorie ist die alljährliche Verwunderung darüber, dass ich keinen Pflaumenkuchen mag, ausgedrückt durch ein ‘Och’ gepaart mit dem, was man gemeinhin Dackelblick nennt) oder weil er sich so gerne Körbe von mir holt- ich weiss es nicht.
Ist Klassik für ihr reiner Hochgenuss, geht es für mich mehr Richtung Folter. Die kindliche Früherziehung ist hier gänzlich gescheitert. Klassische Musik erinnert mich an die Sonntage meiner Kindheit. Klassik zu Frühstück, Mittag, Kaffee und Abendbrot, dazu die Verbote nach dem Essen schwimmen zu gehen und/oder Freunde anzurufen, weil einem langweilig ist. Sonntage gehörten der Familie. Familie war nicht per se langweilig, an Sonntagen schon. Schließlich kam sie da nicht nur einfach als Familie daher, sondern paarte sich mit ausgiebigen Sonntagsspaziergängen und Besuchen bei den Großeltern.
Letzteres gerne auch verbunden mit einem Mittagessen. Der Großvater war Jäger, die Großeltern sparsam. Und so wurde auch das letzte Stück vom Wild zu einer zweifelhaften kulinarischen Köstlichkeit verarbeitet, in der Familie unter anderem als Jägeressen bekannt. Was zum Jägeressen nicht taugte, konnte problemlos noch zu Frikadellen weiterverarbeitet werden. Geblieben sind mir aus dieser Zeit die Abneigung gegen (fast alle) klassische Musik und Wildspezialitäten. An Letzterem arbeite ich gerade.
Was wollte ich nochmal sagen? Ach ja. Eigentlich wollte ich nur meinen Unmut darüber ausdrücken, dass mein lieber Vater mich wieder einmal ins Konzert schleppen wollte. Und nicht nur das- auf die Absage samt Begründung (die er eigentlich schon zu Genüge kennen sollte) für das Konzert im August folgte die Frage, ob ich nicht vielleicht Lust hätte, morgen mit nach Essen in die Oper zu kommen. Ja, hab ich vielleicht einen Sprachfehler?